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Casein – der langsame Bruder von Whey

Welchen Vorteil bietet Casein zum Wheyprotein?

veröffentlicht von Timo Konzelmann

Nach dem Training einen Shake mit Whey Protein, das kennt jeder. Casein fristet hingegen immer so ein bisschen ein Nischendasein. Zu Unrecht?

Was viele nicht wissen: Whey Protein ist eine recht neue „Erfindung“ der Supplementindustrie. Bis in die 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war Whey bzw. Molkeeiweiß einfach nur ein Abfallprodukt, das bei der Herstellung von Käse entstand. Doch dann kam 1997 die berühmt gewordene Boirie-Studie (Boirie et al. 1997), die die Unterschiede der beiden Formen des Milchproteins ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte und sozusagen den Startschuss für den Siegeszug des Whey-Proteins bedeutete.  

 

Casein und Molkeeiweiß – ungleiche Brüder

Der Eiweißanteil von Kuhmilch besteht zu rund 80 Prozent aus Casein und zu rund 20 Prozent aus Molkeeiweiß. Obwohl beide dem selben Rohstoff entstammen, haben sie gänzlich unterschiedliche Eigenschaften.

Whey gilt gemeinhin als „schnelles“ Protein. Diese Zuschreibung bezieht sich auf die notwendige Zeit, die unser Körper benötigt, um es zu verstoffwechseln, konkret das Whey zu verdauen, die freigesetzten Aminosäuren über das Blut aufzunehmen und es wieder zu verwerten. Bereits 20 Minuten nach dem Verzehr befindet sich die Aminosäuren im Blutkreislauf. Studien wie Rasmussen et al. (2000) zeigen, dass der Aminosäurespiegel im Blut nach zwanzig bis vierzig Minuten seinen Höhepunkt erreicht, nach rund einer Stunde der größte Teil der Aminosäuren vom Körper verarbeitet wurde, woraufhin die Proteinsynthese und der Aminosäurespiegel wieder zu ihren Ausgangswerten zurückkehren.

Ganz anders beim Casein. Nach dem Verzehr braucht es drei bis vier Stunden, bis der Aminosäurespiegel im Blut seinen Höhepunkt erreicht (Bryner et al. 2001). Daraus folgt, dass der maximale Anstieg des Aminosäurespiegels im Blut deutlich geringer ausfällt als bei Whey Protein. Zeitgleich wird jedoch die Proteinabbaurate des Körpers ebenfalls reduziert.

Diese Erkenntnisse führten dazu, dass man fortan Whey Protein eher eine anabole, also muskelaufbauende Wirkung, zusprach, Casein hingegen primär als antikatabol, also vor Muskelverlust schützend, beschrieben wurde. Die Diskussion, welches Protein nun das bessere ist und wann welches Protein mehr Sinn macht, hielt jedoch an. 

Einfach beide mischen?

Fassen wir kurz zusammen: Whey Protein erhöht sehr schnell den Aminösäurespiegel im Blut, wodurch der Körper kurzfristig mit vielen Aminosäuren versorgt wird. Zudem hat Whey Protein eine sehr hohe biologische Wertigkeit. Casein kann da nicht mithalten, liefert jedoch über lange Zeit einen konstanten Aminosäurespiegel im Blut.

Nun stellt sich natürlich die Frage, ob man nicht einfach beide Sorten mischen sollte, um das Beste aus beiden Welten zu bekommen. Diese Debatte wird bis heute teils hitzig, auf jeden Fall ohne abschließendes Ergebnis geführt. Experten wie Lyle McDonald und Cy Willson raten genau dazu, andere wie Eric Satterwhite raten hingegen davon ab und begründen diese Ablehnung mit dem Verhalten von Casein im Verdauungstrakt. Mahe et al. (1996) zeigten, dass Casein im Magen gerinnt und dadurch die Verdauung anderer Proteine, die zur selben Zeit zugeführt wurden, verlangsamt. Kurzum: Will man die Vorteile des Molkeeiweißes optimal ausnutzen, macht ein Vermischen mit Casein keinen Sinn. Das heißt nicht, dass ein solcher Mix schlecht wäre, ganz im Gegenteil, aber er nutzt eben nicht die Vorteile beider Proteinsorten optimal aus. 

Das perfekte Timing – in der Theorie

Theoretisch wäre also Whey nach dem Training eine gute Idee, Casein im Grunde zu jedem anderem Zeitpunkt am Tag, vor allem vor dem Schlafen, da es dann für eine konstante Freisetzung von Aminosäuren über die Nacht sicherstellen kann, ohne dem Körper sehr komplexe Verdauungsvorgänge zuzumuten. Und man kann es vorwegnehmen: Ein solches Vorgehen macht durchaus Sinn.

Darüber hinaus finden sich noch diverse Ansätze, die im Extrem dazu führen, dass sie irrwitzige Mengen an Shakes pro Tag empfehlen. Dabei wird gerne vergessen, dass diese Shakes in der Regel aber nicht die einzige Proteinquelle der täglichen Ernährung darstellen und der Mehrnutzen von einem Mehr an Protein sich auch irgendwann erschöpft. Oder anders formuliert: Wer täglich drei oder mehr proteinhaltige Mahlzeiten zu sich nimmt, kann davon ausgehen, dass sein Blut ohnehin aminosäuregetränkt ist.

Fazit: Casein ist super, aber nicht zwingend nötig!

Das führt uns nun auch schon zu einem Fazit. Casein hat tolle Eigenschaften, die es sehr wertvoll machen, jedoch bieten auch viele andere Proteinquellen diese Vorteile. Wer grundsätzlich darauf achtet, dass er über den Tag verteilt ausreichend Protein zuführt, wird vermutlich keine großen Benefits aus einer dauerhaften Supplementation mit zusätzlichem Casein ziehen können. Wirklich gut geeignet ist Casein als Shake kurz vor dem Schlafen oder zum Überbrücken längerer Phasen ohne Nahrungszufuhr. Whey hingegen spielt seine Vorteile eher rund um das Training aus. 

Quellen

Boirie Y., Dangin M., Gachon P., Vasson M.P., Maubois J.L., Beaufrère B. (1997): Slow and fast dietary proteins differently modulate postprandial protein accretion. Proc Natl Acad Sci U S A. 1997 Dec 23;94(26):14930-5.

Bryner R.W., Ullrich I, Saunders J., Donley D., Hornsby G., Kolar M., Yeater R (1999). Effects of resistance vs. aerobic training combined with an 800 calorie liquid diet on lean body mass and resting metabolic rate, J. Am. Coll. Nutri, 18,1, 115-121.

Mahe R., Roos N., Benamouzig R., Davin L., Luengo C., Ganon L.,Gausseres N., Rautureau J. and Tome D (1996). Gastrojejunal kinetics and the digestion of [15N]beta-lactoglobulin and casein in humans: the influence of the nature and quantity of the protein. Am J. Clin Nutr, 63, 546-552.

Rasmussen B. B., Tipton K.D., Miller S. L., Wolf S.E., and Wolfe R.R (2000). An oral essential amino acid-carbohydrate supplement enhances muscle protein anabolism after resistance exercise J. App. Physiol, 88, 386-392.

Autor: Thomas Koch www.ironhealth.de (Lizenzübernahme durch Übertragung Fitnessworld24.net auf Konzelmanns.de)

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