Splittraining: Ab wann sich ein Split lohnt
Für Anfänger ist der Ganzkörperplan der Klassiker. Doch nach einiger Zeit hegen viele den Wunsch
nach einem höheren Split. Doch ab wann macht das überhaupt Sinn?
Erinnert ihr euch noch an den ersten Plan, den ihr im Gym von eurem Trainer bekommen habt? In
den meisten Fällen dürfte dieser ungefähr so ausgesehen haben:
– Bankdrücken
– Latzug
– Kabelrudern
– Schulterpresse
– Kurzhantelcurls
– Trizepsstrecken am Kabel
– Beinpresse
– Crunches
Natürlich gibt es hiervon diverse Abwandlungen. Mal wird stärker auf Maschinen gesetzt, mal direkt
auf komplexe freie Übungen wie Kniebeugen. Mal sind Isolationsübungen für die Arme enthalten,
mal nicht. Im Kern ist die Idee aber immer gleich: Jede Muskelgruppe wird mit einer Übung trainiert,
selten sind es bei größeren Muskelgruppen wie dem Rücken auch zwei. Diesen Plan soll man dann
laut Empfehlung zwei bis drei Mal pro Woche trainieren. Soweit, sogut. Aber ist das nicht viel zu
wenig für die einzelnen Muskelgruppen? Ist es nicht viel sinnvoller, jeder Muskelgruppe einen
eigenen Trainingstag zu geben? Nein, sagen die einen und verweisen dabei auf das Model der
Superkompensation.
Stichwort Superkompensation
Das Model der Superkompensation wird heute vielfach kritisiert. Doch bevor wir uns mit dieser Kritik
auseinandersetzen, wollen wir erst einmal klären, worum es sich dabei eigentlich handelt und warum
es häufig als Argument für ein Ganzkörpertraining herhalten muss. Es geht zurück auf die
Untersuchungen von Jakovlev (1977), der die Folgen von körperlicher Belastung auf das Muskel- und
Leberglykogen bei Tieren beschrieb. Das Ergebnis: Eine starke körperliche Belastung bringt den
Körper aus dem Gleichgewicht, stört seine Homöostase. Das hat zur Folge, dass die Messwerte
zunächst einmal unter den Ausgangswert sanken, dann über diesen hinaus stiegen um letztlich
wieder auf dem Niveau vor der Belastung anzukommen. Man ging nun dazu über, diese Beobachtung
auf die Leistungsfähigkeit des Menschen zu übertragen. Das Prinzip ist dabei gleich: Nach einer
Belastung sinke die Leistungsfähigkeit zunächst ab, steige dann kurzfristig über das Ausgangsniveau
an und falle letztlich wieder auf dieses zurück.
Ob das Training nun langfristig erfolgreich sei oder nicht, hänge davon ab, den richtigen Zeitpunkt für
den nächsten Trainingsreiz zu finden. Gelinge das, also erfolge dieser Reiz zu einem Zeitpunkt, an
dem die Leistungsfähigkeit über dem Ausgangswert liege, so würde sie sich konstant verbessern.
Erfolgt der nächste Trainingsreiz hingegen zu spät, würde sich nachhaltig kein Erfolg einstellen, da die
Leistungsfähigkeit immer wieder auf das Ausgangniveau herabsinke.
Noch schlechter sei es indes, zu früh neue Reize zu setzen, da der Körper dann nicht ausreichend Zeit
habe, sich zu erholen. Die Leistungsfähigkeit würde also absinken.
Je nach Leistungsstand, Intensität und trainiertem Muskel ging man davon aus, dass ein Muskel
zwischen 24 und 72 Stunden brauche, um sich zu regenerieren. Dabei bezog man sich meist auf die
Proteinbiosynthese, also den Aufbau von körpereigenen Aminosäuren durch über die Nahrung
zugeführtes Protein. Folglich sei es auch sinnvoll, den nächsten Reiz eben idealerweise in diesem
Zeitfenster zu setzen. Wenn nun also jeder Muskel spätestens alle 72 Stunden trainiert werden soll,
gibt es kaum eine sinnvolle Alternative zum Ganzkörpertraining. Soweit die Theorie.
Die Sache hat einen Haken
Das Problem an der Sache ist, dass hier ein Model, welches zunächst einmal überhaupt nichts mit der
Leistungsfähigkeit des Menschen zu tun hat, auf diese übertragen und dann noch munter mit
anderen Aspekten wie eben der Proteinbiosynthese vermischt wird. Heraus kam ein anschauliches
Model, das aber zu Recht kritisiert wird. Denn tatsächlich wissen wir bis heute nicht genau, wie der
Muskelaufbau genau funktioniert. Die starke Vereinfachung in diesem Model hat zur Folge, dass viele
weitere Aspekte schlicht ignoriert wurden. So hatte man zwar ein Model, dass man Laien schnell
erklären konnte, wirklich gehaltvoll war es aber nicht.
Und doch macht das Ganzkörpertraining Sinn
Ist es also vielleicht doch sinnvoll, gleich mit einem 4er, 5er oder 6er Split loszulegen? Nein, ist es
nicht. Dafür gibt es gute Gründe, die viel banaler sind als das oben beschriebene Model. Fangen wir
bei der Motorik an: Die wenigsten Anfänger sind heute noch in der Lage eine einfache Kniebeuge
auszuführen. Auch wenn das für langjährig Trainierende oder schon immer sportliche aktive
Menschen schwer vorstellbar ist: Für die meisten Anfänger ist das Erlernen der Bewegungsabläufe
der Übungen eine anspruchsvolle Aufgabe. Daher macht es Sinn, diese Übungen möglichst oft
auszuführen und deren Anzahl zu begrenzen. Schauen wir uns nochmal den eingangs beschriebenen
Plan an, der für einen Anfängerplan schon komplex ist: Er enthält acht Übungen. Ein 4er Split würde
vermutlich bis zu 30 Übungen enthalten, deren Ausführung es zu erlernen gelte. Für Anfänger ist das
schlicht eine Überforderung. Weiterhin kann man jenseits aller Modelle durchaus die Frage stellen,
ob ein Anfänger nach einer Trainingseinheit der Zielmuskulatur wirklich eine Woche Regeneration
gönnen muss. In den seltensten Fällen dürften Anfänger eine Intensität aufbringen, die das erfordert,
allein schon, weil inter- und intramuskuläre Koordination noch nicht entsprechend ausgebildet sind.
Und ab wann splitten?
Ganz grundsätzlich fahren die meisten Anfänger mit einem Ganzkörperplan am besten. Dennoch gibt
es Gründe, die für einen Wechsel auf einen Split sprechen: Allen voran ist da der Aspekt der
Regeneration. Lassen wir mal alle Modelle außen vor: Wer sich nachhaltig nicht mehr progressiv
steigern kann, ständig verkaterte Muskeln hat, müde, träge und kränklich ist, dessen Regeneration
kommt vermutlich nicht mehr mit dem Training mit. Hier ist ein Split sicher eine gute Möglichkeit,
den Körper zu entlasten, denn kein Split ist intensiver als ein Ganzkörpertraining. Nicht minder
wichtig sind aber psychologische Aspekte: Wer so motiviert ist und so viel Zeit hat, dass er gleich
fünfmal pro Woche trainieren will, dem sollte man eben doch zu einem niedrigen Split raten, egal
wie fortgeschritten er ist. Denn Training soll bei Hobbysportlern vor allem auch Spaß machen.
Gleiches gilt für die soziale Komponente. Wenn eben alle Kumpels einen 3er Split machen, kommt
man vielleicht weiter, wenn man mit diesen zusammen trainiert, sich gegenseitig pusht und antreibt,
als wenn man stur auf seinen Ganzkörperplan beharrt und den alleine trainiert.
Fazit: Den allgemein richtigen Zeitpunkt gibt es nicht!
Vieles spricht dafür, Anfängern einen Ganzkörperplan zu geben. Wann nun der richtige Zeitpunkt ist,
auf einen Split umzustellen, lässt sich pauschal nicht sagen. Man kann auch nach vielen Jahren noch
sehr erfolgreich mit einem Ganzkörperplan trainieren, der Split ist also keineswegs notwendig, um
Fortschritte zu erzielen. Entscheidend ist, die Waage zwischen Dogmatismus und Übereifer zu finden
und dabei vor allem den Spaß nicht zu verlieren.
Quellen:
Jakovlev, N N (1977): Sportbiochemie. Barth, Leipzig 1977. Zugleich: Sportmedizinische Schriftenreihe
der Deutschen Hochschule für Körperkultur. Leipzig 1977, Band 14.
Autor: Thomas Koch www.ironhealth.de (Lizenzübernahme durch Übertragung Fitnessworld24.net auf Konzelmanns.de)